Wir werden geweckt von einem Pärchen, dass sich ziemlich lautstark im Fenster gegenüber streitet. Die Nacht war nicht besonders, das Zimmer geht nach Süden, das Fenster lässt sich nur ein Spalt breit öffnen. Entsprechend warm war es. Mit offenem Fenster schlafen funktioniert auch nicht, da es zu laut ist. Gegen 9 Uhr gehen wir frühstücken – keine gute Idee, es ist Hauptstosszeit. Von zwei Liften funktioniert nur einer. Wir nehmen die Treppe. Der Früchstücksraum hat den Charme einer 70er Jahre Kantine – viel Orange. Es gibt Engpässe bei den Kaffeetassen, das Frühstück ist ähnlich wie in Brüssel. Nur die Croissants und Semmeln sind noch kleiner. Dafür gibt es frisches Obst. Immerhin! Am Nebentisch der WAV Neuenkirchen, alle in blauem T-Shirt mit Namen auf dem Rücken. Zurück ins Zimmer nehmen wir wieder die Treppe, vor dem einzigen Lift hat sich jetzt eine Menschentraube gebildet. Zum Glück ist das Zimmer im 2. Stock.

Wir machen uns auf den Weg zum Fietsenstalling (Fahrradparkhaus). Dort gleich die nächste Überraschung: mein Fahrrad ist geklaut! Ich hab die Schnauze voll von Antwerpen! Obwohl das Parkhaus videoüberwacht ist und ich den Akku extra rausgenommen habe, wurde das Schloss einfach abgebrochen. Bei der TI erfragen wir die Adresse der nächsten Polizeistation – eine Station mit der U-Bahn. Der einzige (!!) Ticketautomat in der U-Bahn funktioniert nicht, also fahren wir schwarz. Bei der Polizei angekommen, fragt man uns, ob wir einen Termin haben. Sie arbeiten nur mit Terminen, sonst müssten wir zu einer anderen Dienststelle. Letztlich hat die freundliche Polizistin doch Erbarmen mit uns und holt uns unten an der Tür ab und fährt mit uns im Lift in den ersten Stock. Sie nimmt alles auf, während dessen kommt noch einer, dessen Fahrrad geklaut wurde (vielleicht hatte er ja einen Termin). Wir bekommen die Anzeige des Diebstahls für die Versicherung ausgehändigt. Das Rad ist zum Glück allianz-versichert!

Franz bringt meinen Fahrradkorb mit Helm und Akku zurück ins Hotel. Ich setze mich in ein Bushäuschen und warte. Die Polizeistation liegt im jüdischen Viertel, heute ist Sabbath. Entsprechend sind auffallend viele chassidische Juden in entsprechendem Outfit mit der typischen Fellmütze Schtreimel unterwegs. In den Häusern gegenüber wohnen anscheinend auch nur Orthodoxe. Am hellichten Tag brennen in allen Zimmern die Lichter (am Sabbath ist gläubigen Juden jegliche Arbeit, auch das betätigen eines Lichtschalters verboten), ab und zu erscheint eine Frau in schwarz-weissem Kleid am Fenster. Wir kaufen uns ein Tagesticket und fahren zum Groeneplaat, um von dort zur Kathedrale zu laufen.

Onze-Lieve-Vrouwe-Kathedraal

Der Eintritt kostet 12€, als 60+ und schwerbehindert zahlen wir nur 10€. Die Kathedrale ist riesig. Immerhin die größte gotische Kirche von Belgien und den Niederlanden mit 7 Schiffen. Die Renovierung des Innenraums wurde erst 1993 nach fast 30 Jahren Dauer fertiggestellt. Neben zahlreichen hervorragenden Kunstwerken besitzt die Kirche vier Gemälde von Rubens: die beiden Triptychen Kreuzaufrichtung und Kreuzabnahme, das Altarbild Mariähimmelfahrt und eine Auferstehung Christi, die er für das Grabmal des Druckers Martius gemalt hat. Ausserdem befinden sich noch interessante Kunstwerke zeitgenössischer belgischer Künstler in der Kirche.

Wir machen noch einen Abstecher zum Grote Markt, von dem man allerdings nicht viel sieht, da er mit Buden und der Haupttribüne für das Stadtfest vollgestopft ist. Von den Häusern ringsum stammen allerdings nur 6 aus dem 16./17. Jhdt., der Rest wurde um 1900 erbaut. Vor dem Rathaus steht der Brabo Brunnen, der Silvio Brabo darstellt, wie er die abgeschlagene Hand des Riesen Antigonus in die Schelde wirft. Der Legende nach hat die Stadt daher ihren Namen : Ant werpen – Hand werfen.

Auf dem Rückweg trinken wir noch ein Bolleken am Groeneplaat zu Füßen des Rubens-Denkmals. Um 4 Uhr sind wir wieder im Hotel. Der Nachbar sitzt im bunten Hemd und grüner Brille im Fenster und hat die Musik laut aufgedreht.

Franz dreht noch eine Runde mit dem Rad durch das Diamantviertel, mir reicht es für heute. Gegen 19 Uhr machen wir uns auf den Weg zum Dageraadplaats, ein Tipp im Reiseführer. Wir essen im Lindemans jeder eine Poke-Bowl (hawaiianisch Reis mit was drauf); wir haben Huhn und mariniertem Lachs. Sehr lecker! Wir wollen ein neues Bier ausprobieren und bestellen zwei De Konick und bekommen …. zwei Bollekes. Macht nichts, schmeckt uns ja.

Kurz vor dem Schlafen gehen schaue ich noch aus dem Fenster. Unten fährt ein Orthodoxer mit seinem Sohn auf dem E- Scooter vorbei. Eigentlich ist die Verwendung von elektrischen Geräten und die Erzeugung von Licht am Sabbath verboten.

19.08.2023 Antwerpen

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